Katzen sind ein häufiger Gast in unserer Sprechstunde, sowohl zur Vorstellung aufgrund akuter oder chronischer Probleme, als auch zunehmend zum jährlichen Gesundheitlichen Check-Up. Dabei liegt natürlich einer besondere Augenmerk auf dem Maulbereich.
Denn laut Studien finden sich bei 80% aller Katzen über 3 Jahren behandlungsbedürftige Erkrankungen im Maulbereich.
Nur durchschnittlich 8% aller Katzen in der Sprechstunde werden bereits mit dem Vorbericht einer Zahnerkrankung vorgestellt. Die Dunkelziffer von unerkannten Zahnpatienten ist dementsprechend hoch.
Mit einer Häufigkeit von 20 -70% (Erkankungen bei allen Katzen) sind dabei die Resorptiven Läsionen (FORL) an 1. Stelle der Zahnerkrankungen der Katze.
Der Name dieser Erkrankung variiert je nach Zeit (wie so viele Krankheitsnamen in der Medizin) und Land etwas. Am geläufigsten und aktuell am bekanntesten ist die Bezeichnung FORL= Feline odontoklastische resorptive Läsionen.
Die in Fachkreisen aktuell bevorzugte Bezeichnung ist nur noch RL = Resorptive Läsionen.
In der englischen Literatur spricht man auch von tooth resorptions, neck lesions, cervical line lesions oder cervical line erosions. Katzenkaries ist als Bezeichnung eher veraltet, da die Erkrankung mit dem Karies beim Menschen, von der Schmerzhaftigkeit abgesehen, so gar nix zu tun hat. Resorptive Läsionen können außer bei Katzen auch beim Hund, Pferd, Nager und auch beim Menschen vorkommen.
Was sind Resorptive Läsionen bei Katzen / Was ist Katzen FORL ? Wie entsteht es?
Die Erkrankung wird ausgelöst durch die Odontoklasten (= die Fresszellen der Zahnhartsubstanz) welche im Parodontalspalt, dem Bereich zwischen Zahn und Knochen, sitzen. Im Normalfall sind diese Zellen aber nur dafür vorgesehen, die Wurzeln der Milchzähne aufzulösen um den bleibenden Zähnen Platz zu machen.
Aufgrund dessen, dass der Auslöser im Parodontalspalt sitzt, beginnt die Erkrankung immer im Wurzelbereich. Danach wandern die Läsionen meist weiter in den Kronenbereich. Wo sie dann zu Entzündungen und Schmerzen, anfänglich vor allem im Zahnhalsbereich, führen. Die Gingiva (= das Zahnfleisch), zeigt sich dann sehr häufig gerötet und geschwollen und legt sich über die fehlende Zahnsubstanz drüber.
Im ersten Bild fehlt bereits der erste Prämolare im Unterkiefer, der zweite Backenzahn ist bereits am Gingivasaum stark gerötet. Im zweiten Bild sieht man wie das Zahnfleisch "hochwächst" , um die Läsionen an der Zahnkrone abzudecken. Denn dieser Prozess ist sehr schmerzhaft und der Körper versucht mit der Schleimhautabdeckung Schadensbegrenzung zu betreiben.
Da die erkrankten Katzen aufgrund der Schmerzhaftigkeit die betroffenen Zähne nicht mehr zum Kauen benutzen, bilden sich dort oft vermehrt Zahnbeläge und Zahnstein.
Im fortgeschrittenem Stadium fehlen häufige Teile der Zahnkrone oder auch der gesamte Zahn. Dies schließt nicht aus, dass im Kiefer noch Wurzelreste verbleiben.
Bei der Allgemeinen Untersuchung in der Sprechstunde können uns eben diese Symptome in der Maulhöhle der Katze einen Hinweis auf das Vorliegen von RL geben, soweit die Katze kooperativ genug ist, uns ihr Mäulchen vollständig anschauen zu lassen.
Das genaue Ausmaß der Erkrankung und das Vorliegen von weiteren Erkrankungen, zum Beispiel Parodontitis, lässt sich dann aber erst in einer Narkose mit dem Einsatz eines Dentalröntgen darstellen.
Im Alltag lassen sich die meisten Katzen ihre Zahnprobleme oft wenig anmerken, auch weil die Zahnprobleme oft eher langsam progressiv sind.
Mundgeruch, vermehrtes Speicheln, Kopfschütteln, Veränderungen in der Futteraufnahme, Niesen, vermehrtes Putzen oder zu wenig Putzen, Unsauberkeit, Aggressivität, Abgeschlagenheit/Zurückgezogenheit, Konflikte im Mehrkatzenhaushalt, unspezifische Symptomatik... usw.
Einteilung der Resorptiven Läsionen (AVDC)
Die Einteilung der Erkrankung erfolgt entweder in 5 Stadien oder 3 (Röntgen-)Typen
Bei den Stadien wird vor allem der Fortschritt der Erkrankung klassifiziert:
Stadium 1: beginnende Odontoklastenaktivität, geringgradiger Abbau im Wurzelbereich
Stadium 2: Beginn Wurzelabbau, erste Schmelzschäden und erster Dentinverlust, ohne Einbeziehung der Pulpa
Stadium 3: jetzt auch mit Pulpabeteiligung
Stadium 4: hochgradiger Verlust von Zahnhartsubstanz, Zähne oft locker oder teils abgebrochen
Stadium 5: Zahn nur noch Rest im Röntgen erkennbar
Die Einteilung nach der Art der Veränderung ist jedoch die neuere und sinnvollere Einteilung:
Typ 1 Resorption: vereinzelte Aufhellung im Bereich des Zahnes bei ansonsten normaler Röntgendichte und erhaltenem Parodontalspalt, zusätzlich häufig Parodontitis mit Knochenabbau, damit einhergehend stärkere Entzündungsgeschehen
Typ 2 Resorption: verringerte Röntgendichte von Teilen des Zahnes und Parodontalspalt verengt oder nicht mehr darstellbar, Knochenähnliches Gewebe ersetzt das Wurzelgewebe, seltener Entzündung im Gingivabereich
Typ 3 Resorption: Typ 1 und 2 an einem Zahn auffindbar
Therapie
Als Therapie der Wahl bleibt leider wenig Auswahl:
Extraktion!
Je nach Resorptionstyp ist dabei zwingend die vollständige Extraktion aller Wurzelreste nötig (bei Typ 1). Wenn nachweislich Typ 2 Resorptionen am Zahn vorliegen, also die Wurzel umgebaut ist, darf in Ausnahmefällen auch eine Kronenamputation oder Teilextraktion durchgeführt werden. Um dies beurteilen zu können bedarf es zwingend ein Dentalröntgen aller Zähne sowie eine eingehende und genaue stomatologische Untersuchung jedes einzelnen Zahnes um 360 Grad. Diese Form der offenen und geschlossenen Extraktion und das Know-How einer eingehenden Untersuchung der Maulhöhle nennt man auch COHAT = Comprehensive Oral Health Assessment and Treatment.
Nicht jeder Haustierarzt beherrscht diese Techniken (sie benötigen teils jahrelange Erfahrung und viele Fortbildungsstunden) oder hat entsprechende Bildgebung, daher ist es empfehlenswert sich an einen dentalversierten Kollegen bzw. Zahntierarzt zu wenden.
Hier sieht man trotz Typ 3 Resorptionen im Wurzelbereich und beginnend in der Krone, dass nach präparieren eines Flap und Freilegen des Kieferknochen Wurzelreste sichtbar sind, auch diese gilt es chirurgisch möglichst vollständig aus dem Kiefer zu extrahieren.
Kommunikation / Aufklärung der Tierbesitzer
In der täglichen Praxis kommen die allermeisten zahnerkrankten Katzen nicht wegen den Zahnerkrankungen zu uns, sondern sind in der Diagnosestellung oft ein Zufallsbefund.
Entweder beim jährlichen Check Up zum Impfen oder wegen anderer Probleme werden die Tiere bei uns vorstellig.
Wenn uns dann Auffälligkeiten in der Maulhöhle begegnen, ist es oft ein langwieriger Kommunikationsprozess um über die Notwendigkeit einer kostspieligen Zahnoperation aufzuklären. Wir nutzen dafür repräsentative Dentalröntgenbilder von erkrankten und gesunden Katzen.
Außerdem haben wir gemeinsam mit dem Zahntechniker Wolfgang Häusler (Tierdent) ein FORL Gebissmodell entwickelt, um den Katzenbesitzern die Erkrankung FORL / Resorptive Läsionen bei Katzen noch plastischer darzustellen. An dem Modell kann man die Maulschleimhaut / das Zahnfleisch abnehmen und darunter im durchsichtigen Modell - Unterkieferknochen die Wurzeln von erkrankten und gesunden Zähnen betrachten. Außerdem sind die möglichen Veränderungen der Maulschleimhaut dargestellt.
Für Fachpersonal haben wir einen Shop auf unserer Website zur Bestellung des Resorptive Läsionen Kiefermodell.
Aufgrund der hohen Erkrankungsrate für Tooth Resorptions sollte jede Katze beim Haustierarzt oder Zahntierarzt auf Hinweise für das Vorliegen resorptiver Läsionen untersucht werden. Hierzu zählen insbesondere fehlende Zähne (beginnend meist bei den Incisivi und P3 des Unterkiefers), einzelne Rötungen des Zahnfleisches, bereits sichtbare Resorptionen, einseitiger Zahnstein als Hinweis auf einseitiges Kauen und vermehrtes Speicheln.
Eine frühzeitige, gezielte Behandlung entzündlicher Veränderungen in der Maulhöhle – besonders bei Jungtieren – sowie entsprechende Prophylaxemaßnahmen können das Erkrankungsrisiko reduzieren und Katzen ein zahnschmerzfreies Leben bescheren.
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